Viele Kulturschaffende blicken besorgt in die Zukunft. Die Pandemie bedroht ihre Existenz. Gleichzeitig stehen kulturpolitische Weichenstellungen bevor. In diesem Beitrag möchte ich aufzeigen, was mir Kultur bedeutet, was ich kulturpolitisch bisher bewirkt habe und welche Ideen und Ziele ich als Regierungspräsident von Basel-Stadt verfolgen will.
Mein persönlicher Zugang
Musik prägt und trägt mich seit Kindesbeinen. In der Knabenmusik – damals waren leider noch keine Mädchen dabei – lernte ich Schlagzeug spielen, mein Bruder Querflöte. Die Erinnerung an die Jahreskonzerte im ausverkauften Stadtcasino löst bei mir noch heute Hühnerhaut aus. Ich kann die Aufregung förmlich spüren, wenn ich an den ausverkauften Saal denke und an den Dirigenten, der den Taktstock zur Eröffnung anhob und uns mit seinem Blick signalisierte: ‘Jetzt müsst ihr alles geben’. Wenn ich daran denke, wie die anfängliche Nervosität der Freude wich, wie wir uns gegenseitig anstachelten und getragen von der Kraft der Klangbilder zu Hochform aufliefen, um schliesslich begeisterten Applaus zu ernten. Gemeinsam ist Grossartiges möglich.
«Ein Bravo dem Kesselpaukisten!» stand nach einem unserer Jahreskonzerte in einem BaZ-Artikel. Meine Eltern, die wussten, wer damit gemeint war, unterstrichen den Satz und klebten den Artikel in mein Fotoalbum. Er machte sie stolz und gleichzeitig sicher, dass ihre beiden Söhne die Freizeit sinnvoll nutzten und der Mitgliederbeitrag an die Knabenmusik gut investiert war. Die subventionierte Knabenmusik war damals die einzige für uns erschwingliche Musikschule. Privatunterricht war für eine Arbeiterfamilie nicht bezahlbar. Danke, lieber Kanton. Kultursubventionen können Biografien prägen. Zugang zu Musik und Kunst soll allen offen stehen und für alle erschwinglich sein. Die im Kind geweckte Liebe zur Orchestermusik ist bei mir übrigens nie erloschen. Noch heute kann es mir passieren, dass ich im Stadttheater sitze und berührt von der Musik der grossartigen Basler Orchester Tränen vergiessen muss. Einfach, weil es schön ist.
Als Jugendlicher wandte ich mich später der zeitgenössischen Musik zu, spielte Blues, Pop und Jazzmusik. Höhepunkt waren die Konzerte mit den ‘Seekers’ am Wenkenhof-Festival oder mit den ‘Porcus Delicti’ im Atlantis. Mit den ‘Wimps’ spielten wir meist auf Strassenfesten oder an Partys. Zugegeben, keine dieser Bands schaffte den Durchbruch. Aber Spass hatten wir trotzdem. Und wie. Mit Freunden im Probelokal Klänge und Rhythmen entstehen lassen, zu erleben, wie Räume aufgehen, wie Neues und Berührendes entsteht im gemeinsamen Spiel, das tat mir gut. Ich habe damals auch gelernt, wie wichtig Proberäume und Auftrittsmöglichkeiten für eine junge Band sind.
Mein kulturpolitischer Leistungsausweis
In meinen 10 Jahren im Nationalrat legte ich den Fokus auf Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Ich setzte mich jedoch federführend für die rund 30 MusikerInnen aus Drittstaaten ein, als ihnen Ende 2014 der Entzug der Aufenthaltsbewilligung drohte. Ein paar von ihnen lernte ich persönlich kennen. Einige konnten dank unserem politischen Druck als Härtefälle bleiben. Mir wurde bewusst, dass es trotz des grossen Renommees unserer Basler Musikhochschulen auch für Talente von Weltrang schwierig ist, ein gesichertes Einkommen zu erzielen. Sie leben, wie viele Freischaffende der darstellenden Künste, von Teilzeitanstellungen und sind auf Auftrittsmöglichkeiten im In- und Ausland angewiesen.
Während meiner Zeit im Grossen Rat und als Präsident der SP Basel-Stadt war ich kulturpolitisch aktiv. Ich suchte die Zusammenarbeit mit den Leuten von ‘Kulturstadt Jetzt’ und ermunterte sie, für den Grossen Rat zu kandidieren. Tino Krattiger oder Tobit Schäfer gelang so die Wahl. Sie wurden zu politischen Weggefährten. Es war damals dringend nötig, dass sich die Kulturschaffenden mehr Gehör verschafften. Kultur im öffentlichen Raum hatte einen enorm schweren Stand. Das Rheinufer und der Hafen waren Kulturwüsten. Das Kulturfloss an der Mittleren Brücke, das Schiff und der Tanzschuppen ‘Denkfabrik’ im Hafen drohten allesamt an behördlichen Auflagen zu scheitern, bevor sie richtig loslegen konnten. Ich machte mich damals für ein transparenteres und einfacheres Bewilligungswesen und eine kulturelle Nutzung des Hafenareals stark. 2006 bewirkte mein Budgetpostulat, dass der Kanton die Populärmusik stärker subventionierte. Der Rockförderverein konnte nun junge Bands fördern, einen Pop-Preis etablieren und die BScene beleben.
Dieses Engagement hat sich gelohnt. Heute ist junge Kultur viel präsenter, das Kulturfloss eine nicht mehr wegzudenkende Bereicherung, die auch Menschen mit kleinem Portemonnaie, Konzertgenuss ermöglicht. Im Hafen hat sich vielfältige Kultur etabliert. Das damals abgeriegelte Klybeckquai präsentiert sich heute als eine der lebendigsten Ausgeh-Meilen der Schweiz. Es pulsiert, bietet Raum für kulturelle Experimente, Kreativität und Geselligkeit. Basel hat seinen Ruf als Schlafstadt verloren, hat auch für Junge etwas zu bieten. Ja: Kultur ist Leben. Sie braucht Platz und Freiheit, um sich zu entfalten. Der Staat kann und soll sie finanziell unterstützen. Er nützt ihr aber mindestens so sehr, wenn er ihr Räume öffnet und Hindernisse aus dem Weg räumt.
Meine kulturpolitischen Vorstösse
02.7116 | 06.02.2002 | Interpellation Nr. 4 Beat Jans betreffend Nutzung der Westquaistrasse 39 für kulturelle Anlässe |
02.7160 | 13.03.2002 | Anzug Beat Jans und Konsorten betreffend der Regierung und Sicherung von Freilichtveranstaltungen |
03.7539 | 09.04.2003 | Interpellation Nr. 44 Beat Jans betreffend Klarheit im Bewilligungswesen für kulturelle Veranstaltungen |
06.5379 | 10.01.2007 | Vorgezogenes Budgetpostulat Beat Jans und Konsorten zur Populärmusik. Dienststelle Nr. 280 / Ressort Kultur |
Meine kulturpolitischen Vorstellungen für Basel
Zu allererst: Die Krise abfedern
Aktuell blicken die Kulturschaffenden auch in Basel-Stadt mit grosser Sorge in die Zukunft. Die Corona-Krise bedroht viele Künstlerinnen und Künstler in ihrer Existenz. Aber nicht nur sie, auch die Veranstalter, Beleuchterinnen, Tontechniker, Schaustellerinnen, oft mit eigener Infrastruktur, deren Risiken nirgends abgefedert sind, stehen ohne Einkommen da.
Es ist deshalb die dringlichste Aufgabe der Politik, die Kulturschaffenden über die Krise zu retten. Kultur ist unverzichtbar. Der Kanton muss dafür sorgen, dass die Hilfsangebote des Bundes rechtzeitig und unbürokratisch bei den Betroffenen ankommen und er muss sie durch eigene Angebote ergänzen, so dass auch unabhängige freischaffende Künstler und Veranstalter die Krise überstehen können. Wenn sie staatliche Unterstützung zugesprochen erhielten, brauchen sie die Sicherheit, dass der volle Subventionsbetrag ausbezahlt wird, auch wenn sie den ausgehandelten Leistungsauftrag nicht erfüllen können.
Auch Kulturveranstaltende und Clubs, deren Einnahmen zu weniger als 50% aus dem Billettverkauf stammen, sollen überleben können, zumal ihre Einnahmemöglichkeiten aus dem Gastrobetrieb ebenfalls eingeschränkt sind.
Und schliesslich: Sobald Veranstaltungen wieder möglich werden, könnte der Kanton, dem Beispiel Zürich folgend, eine befristete und unbürokratische Impulsförderung für freie Kulturschaffende einführen.
Kulturhauptstadt bleiben
Kunst und Kultur machen das Selbstverständnis unserer Stadt aus. Basel beheimatet Museen, Sammlungen, Ateliers, eine Musikakademie für Alte Musik und Jazz, eine Hochschule für Gestaltung und Kunst, mit transdisziplinären Kompetenzen wie im Hyperwerk, und mit dem Stadtcasino einen neu renovierten Konzertsaal von Weltruf. Die weltweit wichtigste Kunstmesse findet hier statt. Die Fasnacht, unsere Musik- und Theaterinstitutionen haben eine starke Anziehungskraft, weit über die Region hinaus. Es gibt einmalige Kulturinstitutionen für Kinder und Jugendliche wie das Junge Theater, das K’Werk oder das Wortstellwerk. Basels Kulturleben ist vielfältig, hochstehend und dynamisch. Basel soll diesen gewaltigen Schatz pflegen und stolz zeigen. Der Kanton soll immer wieder neue innovative Foren, Festivals, und Feste schaffen, ermöglichen und bewerben, damit die Basler Kultur ausstrahlen und begeistern kann.
Hindernisse abbauen und Räume schaffen.
Kunst gehört in den öffentlichen Raum. Parks und Plätze sollen künstlerischem Schaffen zugänglich sein. Der Kanton soll Ermöglicher, nicht Verhinderer sein, Bewilligungen unbürokratisch vergeben. In den grossen Entwicklungsarealen im Klybeck, Wolf, Hafen und Dreispitz sollen kulturelle Zwischennutzungen unkompliziert möglich sein. Die Szene am Klybeckquai soll bleiben können.
Kultur für alle
Kultur nährt, bildet und bereichert uns, stiftet Identität, treibt gesellschaftliche Entwicklungen voran und spiegelt politische Prozesse. Sie kann das nur, wenn alle, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Bildung und Einkommen Zugang zu ihr haben. Aktionen und Spezialangebote sollen Schulen, Studierende, Familien, Menschen mit tiefem Einkommen den Kulturgenuss ermöglichen. Auch für Zugewanderte, Auslandaufenthalter und Expats soll es Angebote geben.
Situation der Freischaffenden generell verbessern
Es gibt über Corona hinaus viel anzupacken. Die Situation der freien Kunst- und Kulturschaffenden soll grundsätzlich verbessert werden. Corona macht das Prekäre ihrer Existenzen nur bewusster. Sie brauchen mehr Perspektiven und soziale Sicherheiten.
Aufmerksamkeit und Plattformen generieren
Der Abbau der Kulturberichterstattung in den Medien wirkt sich auf die Kunst verheerend aus. Künstlerische Ereignisse finden immer mehr in Nischen statt, ohne dass eine grössere Öffentlichkeit davon erfährt, ohne dass darüber debattiert wird. Das höhlt die gesellschaftliche Funktion von Kunst aus. Kunst braucht eine kritische Übertragung in die Gesellschaft. Sonst wird sie unbedeutend und funktionslos. Kunst braucht Kulturberichterstattung. Und Basels Kulturschaffen soll wieder sichtbarer werden.
Finanzierung sichern
Ein grosser Teil der Basler Kulturlebens wird durch grosszügige Mäzene und Sponsorinnen finanziert. Das ist ein Glück für Basel. Der Kanton soll deshalb auch in Zukunft die Zusammenarbeit mit privaten Geldgebern suchen. Dabei gilt es immer, die Balance zu finden zwischen den Interessen der Geldgebenden und den Interessen und Aufgaben des Kantons. Damit der Kanton seine grosse Ausstrahlung halten kann, muss er bereit sein, das Kulturbudget in Zusammenarbeit mit den Nachbarkantonen und dem Bund auszubauen. Da im Bereich der alternativen oder freischaffenden Kultur die Mittel anteilsmässig zurückgegangen sind, besteht gerade in diesem Bereich Aufholbedarf. Die Trinkgeldinitiative fordert zu Recht mindestens 5% Anteil an den Gesamtausgaben, dies soll jedoch nicht auf Kosten bestehender Institutionen gehen.
Kulturdialog etablieren
Kunst ist beständig, zugleich erfindet sie sich ständig neu. Auf diese Veränderungen muss die Kulturpolitik reagieren können. Kulturpolitik soll nicht von oben nach unten gemacht werden, sondern unter Einbezug und im Austausch mit den Kulturschaffenden. Ein kontinuierlicher Kulturdialog soll angeregt und selbstverständlich werden.